Grenzflächenspannung und Morphologie fließender
zweiphasiger Polymermischungen
V. Ziegler (2003)
In der vorliegenden Arbeit wurde die Morphologie von zweiphasigen Polymermischungen
unter Scherung in situ mit Hilfe einer Kombination aus optischer Scherzelle,
Durchlichtmikroskop und computergestützten CCD-Kamera untersucht. Als Modellblends
dienten die unverträglichen, bei Raumtemperatur flüssigen Polymersysteme
Polyisobutylen (PIB)/Polydimethylsiloxan (PDMS) (I) und Poly(dimethyl-co-methylphenyl)siloxan/PDMS
(II). Alle Komponenten verhalten sich bei den verwendeten Scherraten newtonisch.
Eine der wichtigsten Einflussgrößen für die Blendmorphologie
ist die Grenzflächenspannung s12. Sie wurde
für I und II mit Hilfe der Methode der Tropfenrelaxation (dynamisch) als
Funktion der Zeit bestimmt. Diese Methode erlaubt die Messung von s12
für Tropfen der Phase A in B sowie von Tropfen B in A. Bei der Methode
des hängenden Tropfens (statisch) muss der Tropfen aus der Phase mit der
höheren Dichte bestehen. Wo der Vergleich der beiden Methoden möglich
ist, stimmen die Ergebnisse für beide Systeme sehr gut überein. Bei
II sind die aus der Tropfenrelaxation erhaltenen s12-Werte
der beiden komplementären Zusammensetzungen im Rahmen des Fehlers gleich,
bei I zeigt ein PIB-Tropfen in PDMS einen um 40 % niedrigeren Wert als ein PDMS-Tropfen
in PIB, dies wird auf die Diffusion von kurzkettigen Anteilen des PDMS in die
Grenzschicht zurückgeführt. Die Grenzflächenspannung hängt
also unter Umständen auch bei binären Systemen deutlich von der Zusammensetzung
ab.
Für II wurde die Blendmorphologie über den gesamten Zusammensetzungsbereich
untersucht. Die häufig beobachteten cokontinuierlichen Strukturen treten
bei keiner Zusammensetzung auf. Die Phaseninversion erkennt man in einer sprunghaften
Änderung der Tropfengröße zwischen jPDMS
= 0,400 und 0,500; zudem lässt sich die Zeitabhängigkeit der Radien
durch Auftragung gegen das Produkt aus der Deformation und dem Quadrat des Volumenbruchs
der Tropfenphase für 0 < jPDMS =
0,400 sowie 0,500 = jPDMS < 1 normieren.
Für I und II wurde die Morphologieentwicklung bei 25 °C nach Vorscherung
bei 100 bzw. 50 s-1 und anschließendem Sprung der Scherrate
auf deutlich niedrigere Werte als Funktion der Zeit verfolgt. Hierbei erhält
man bei genügend langer Messdauer (mindestens 200 000-300 000 Schereinheiten)
konstante Tropfengrößen. Zum einen handelt es sich dabei um pseudo-stationäre
Werte, die nur durch Koaleszenz bestimmt sind, zum anderen um echte stationäre
Radien, die durch gleichzeitig ablaufende Koaleszenz und Zerteilung entstehen.
Für I liegen die stationären Mittelwerte auf der Zerteilungskurve,
für II hingegen auf der Koaleszenzkurve.
Der Einfluss eines grenzflächenwirksamen Additivs wurde anhand von I
durch Zugabe des Blockcopolymer PIB-b-PDMS zu PIB untersucht. Der Vergleich
des zeitlichen Verlaufs von s12 mit der Morphologieentwicklung
zeigt, dass das Additiv eine Stabilisierung der feinen Tropfen/Matrix-Struktur
des Blends durch Hinderung der Koaleszenz und nicht durch Reduktion der Grenzflächenspannung
bewirkt.
|